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Interview KWSstock.adobe.com/David

07.04.2015 Redaktion agrajo

Carolin Hesse, KWS

Rund um den Standort Wetze der KWS Zuchtstation erstrecken sich Gersten- und Weizenfelder. In kleinen Parzellen werden hier unzählige Sortenversuche durchgeführt. Die runden Schilder mit dem typischen orangefarbenen KWS-Logo zeigen, was hier genau unter dem wolkigen Sommerhimmel wächst. Mittendrin liegen die Bürogebäude und Hallen der Firma. Hier kümmern sich derzeit 34 Mitarbeiter um die etwa 150 ha Versuchsparzellen. Eine davon ist Carolin Hesse.

Die 23-jährige Studentin arbeitet seit ihrer Schulzeit hier. Jeden Sommer, bekräftigt sie, während sie quer über den gepflasterten Hof zu den Laboren geht. In ihrem ersten Sommer war sie gerade einmal 15 Jahre alt. Ich wollte unbedingt einen Motorroller, sobald ich 16 bin, lacht sie. Der Hof meiner Eltern liegt nur ein paar Kilometer entfernt. Als Jugendliche ist man hier ohne Roller oder Auto verloren. Sie begann als Aushilfe zu jobben, verdiente das Geld für den Roller und war nach dem Sommer so begeistert, dass ihr Berufswunsch feststand. Ich will in die Züchtung, habe ich meinen Eltern am nächsten Tag verkündet. Sie fanden das gut, berichtet Carolin, während sie im Flur vor den Laborräumen ihren Kastrationskoffer einpackt.

Hier in den Laboren werden Winterweizen und Wintergerste analysiert, gebeizt, abgepackt, auf ihren Proteingehalt und ihre Fallzahl überprüft und in tausenden von kleinen Tütchen und Döschen aufbewahrt. Hier den Überblick zu behalten fällt ihr aber leicht, denn das Prozedere kennt sie ja seit Jahren. Wenn wir nicht auf den Feldern sind, arbeiten wir hier. An der Wand hängt ein Plakat, das veranschaulicht, wie eine Pflanzensorte den Weg auf den Acker schafft. Bis zu zehn Jahre kann es dauern, bis eine neue Kreuzung erprobt, anerkannt und auf den Markt gebracht ist. Da lernt man Geduld und trotzdem muss es immer wieder ganz schnell gehen. Die Pflanzen kennen kein Wochenende und keine Ferien die warten nicht auf uns, scherzt Carolin, verlässt das Gebäude und geht zu ihrem Auto, das auf dem Parkplatz neben der Halle mit den Laboren und dem Lager steht.

Volle Unterstützung

©Spieker & Woschek

Sie steigt ein, startet den Motor ihres schwarzen Seat, biegt auf die Landstraße ab und fährt zu einem der Versuchsfelder. Als ich meinen Eltern erzählt habe, dass ich Agrarwissenschaften studieren werde, haben die sich gefreut. Es war von ihrer Seite aus aber natürlich kein Muss. Meine Eltern haben mich immer unterstützt, aber nie zu etwas gedrängt.

Die Eltern führen ihren Betrieb im Nebenerwerb, außer 50 ha Acker- und Grünland halten sie noch einige Milchkühe. Carolin machte ihren Realschulabschluss, dann das Abitur an der Berufsbildenden Schule in Einbeck und begann, in Göttingen zu studieren. Jede Ferienwoche arbeitete sie bei der KWS, nicht nur um Geld zu verdienen. Wenn ich hier nicht ständig mit den Pflanzen zu tun hätte, wären Module wie Phytomedizin oder Pflanzenzüchtung doch nur Theorie ohne Leben, sagt sie. An der Uni erhalte ich das Fachwissen und hier sehe ich, wie zum Beispiel Krankheiten in der Praxis wirklich aussehen. Ich könnte mir keine bessere Kombination wünschen!

Ihr Ziel ist es, zum Abschluss ihres Studiums bei der KWS ein Jubiläum zu feiern: Ich will sagen können, dass ich zehn Sommer hier gearbeitet habe, wenn ich mich bewerbe, grinst sie, während sie die enge Landstraße entlangfährt. Ein Ziel, von dem sie nur noch zwei Jahre entfernt ist und dem sie sich mit großen Schritten nähert.

Sie setzt den Blinker und biegt in einen staubigen Feldweg ab. Im Moment schreibe ich an meiner Bachelorarbeit. Es geht um die Sedimentationsfähigkeit und die Fallzahl von Einkorn. Die Laboruntersuchungen hat sie hier in Wetze im Labor der KWS durchgeführt. Die sind einfach besser ausgestattet, erklärt Carolin. Und wenn ich Fragen hatte, ist ja immer jemand da, der sich auskennt und den ich fragen kann.

Die Atmosphäre genießen

©Spieker & Woschek

Auf dem Feld, inmitten der Gerstenparzellen, trifft sie Marianne Körber-Ahrens, die Zuchtassistentin für den Bereich Wintergerste. Von ihr und den anderen Assistenten habe ich so viel gelernt, erklärt Carolin. Kastrieren, Bestäuben, Bereinigen eigentlich alles, was ich hier als Aushilfe auf dem Feld erledige. Still sitzen die beiden Frauen nebeneinander auf ihren Hockern und rücken den Ähren mit Pinzette und Nagelschere zu Leibe. Eine kleinteilige Arbeit, die viel Geduld erfordert und viel Fingerspitzengefühl. Über ihnen ziehen weiße Sommerwolken entlang. Es ist ruhig bis auf das Zwitschern der Feldlerchen und den Wind, der durch die Grannen streicht. Carolin streckt ihren Rücken durch, streicht sich eine Haarsträhne aus der Stirn und hält ihr Gesicht in die Sonne: Das mache ich echt am liebsten! Im Team hier draußen sein und die Atmosphäre genießen Das ist einfach großartig.

Bloß nicht Rumtrödeln

In ihrer Studentenbude in Göttingen verbringt sie nur so viel Zeit, wie es unbedingt sein muss. Meine Freunde sagen zu meinem 15-qm-Appartement immer Fressliegebox, lacht sie. Ich fühle mich in Göttingen aber auch nicht so produktiv wie hier. Wenn hier Feierabend ist, springe ich zum Beispiel in der Ernte auch mal bei meinen Eltern noch auf den Trecker und lege los. Rumtrödeln ist nichts für mich! Sie legt ihre Werkzeuge in den Koffer zurück und macht sich auf den Weg zum Auto.

Feste Freundschaften

©Spieker & Woschek

Auf der Rückfahrt zum KWS-Gebäude kommt Carolin an weiteren Versuchsfeldern vorbei. Auf einigen stehen Leute, tief über die Pflanzen gebeugt mit Mappe und Boniturgerät. Carolin winkt ihnen zu. Ich kenne hier alle Mitarbeiter. Zu einigen sind richtige Freundschaften entstanden. Wer gemeinsam durch Wind und Wetter gegangen ist, im Hagel bonitiert hat und bei beißender Kälte Kreuzungen vorgenommen hat, der wächst zusammen. Wenn es wirklich hart draußen ist, packen alle umso mehr mit an. Man will dann einfach fertig werden, legt los, und die Stimmung ist immer noch gut schlechtes Wetter fördert die Teambildung. Carolin lenkt ihren Seat auf den Parkplatz neben der Lagerhalle. Auf dem Weg in das Büro trifft sie ihren Chef, Thorsten Bielfeldt. Der 49-Jährige ist Technischer Leiter des Standorts und zuständig für die Koordination der Fachkräfte und der Aushilfen sowie den Maschineneinsatz. Carolin kennt er, seit sie hier vor acht Jahren angefangen hat. Und natürlich hofft er, dass sie sich nach dem Studium für eine Stelle bei der KWS entscheidet. Es wird dünn mit den Nachwuchskräften, das merken wir schon, erzählt er und grinst dann: Und wir wären wirklich dumm, wenn wir uns jemanden wie Carolin entgehen ließen. Dass er viel Vertrauen in die Fähigkeiten der jungen Agrarstudentin setzt, zeigt sich auch an den Aufgaben, die er ihr überträgt. Noch ist Carolin hier Aushilfe, doch mittlerweile führt sie auch Bonituren durch, was normalerweise den Festangestellten vorbehalten ist. Auch Auszubildende nimmt sie inzwischen mit, um sie anzulernen darauf ist sie schon ein bisschen stolz, wie sie zugibt.

Informationen weitergeben

Es geht auf halb fünf zu, die meisten Mitarbeiter haben gleich frei. Carolin nicht: Für heute Abend hat sich eine Besuchergruppe angekündigt: Nebenerwerbslandwirte, die mehr über die KWS und die neuen Sorten erfahren möchten. Sie wird bei der Bewirtung helfen. Kellnern kann ich, lacht sie. Daher hilft sie häufig aus, wenn sich Gruppen ankündigen. Das sind nicht nur Landwirte, erklärt Thorsten Bielfeldt. Zu uns kommen auch viele Nichtlandwirte, mal ein Sportverein, mal andere, die sehen und verstehen wollen, wo unsere Lebensmittel herkommen. Bielfeldt freut sich über dieses Interesse und auf jede kontroverse Diskussion. Die KWS hat nicht unbedingt bei allen den besten Ruf, wegen der Züchtung und Gentechnik. Ich will keinen überzeugen, die Gentechnik zu befürworten, aber wir bemühen uns, zu informieren und aufzuklären, sodass sich die Leute ihre eigene Meinung bilden können.
Carolin nickt. Für sie sind die Züchtungsversuche, die hier auf den Feldern durchgeführt werden, zu ihrem täglich Brot geworden. Im Herbst wird sie ihr Masterstudium beginnen. Schwerpunkt: natürlich Pflanzenzucht. Mir ist es wichtig, ein Ziel zu haben und das konsequent zu verfolgen, sagt sie und schaut aus dem Fenster über die wogenden Gerstenfelder. Ich werde mich auf die Züchtung spezialisieren und auf jeden Fall in diesem Bereich bleiben. Da bin ich richtig. Das spüre ich jedes Mal, wenn ich hier bin!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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